• Qualitätskontrolle in der Liquordiagnostik - Standard oder ökonomiebasiert? Interview mit Prof. Dr. Dr. Uhr

Qualitätskontrolle in der Liquordiagnostik – Standard oder ökonomiebasiert? Interview mit Prof. Dr. Dr. Uhr

Qualitätskontrolle in der Liquordiagnostik – Standard oder ökonomiebasiert? Zu diesem Thema führte unsere Dipl. Biologin und Medical Device Consultant Frau Dr. Dagmar Michel Ende Februar 2024 ein Interview mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Manfred Uhr, dem Leiter des Klinischen Labors des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München.

Prof. Manfred Uhr ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter des Klinischen Labors des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München. Als Mitglied der Fachgruppe für qualitative laboratoriumsmedizinische Untersuchungen der Bundesärztekammer und Ringversuchsleiter bei der Ringversuchsorganisation Instand e.V. gibt er im Gespräch einen Überblick über die Herausforderungen in der Qualitätssicherung im Liquorlabor und Qualität der Laboranalysen.

Prof. Dr. Dr. Uhr

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Manfred Uhr, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter des Klinischen Labors des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München

Die in vitro -Diagnostik ist kontinuierlich bestrebt, innovative Lösungen für sich ständig verändernde Anforderungen im Labor zu finden und in geeignete Analytik und Tests für eine zuverlässige Diagnosestellung umzusetzen. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf der Validität der Messergebnisse im Interesse des Patienten. Bei der Aktualisierung der RiliBÄK im Mai 2023 gibt es nun auch Vorgaben für die Präanalytik. Was ändert sich gerade in der internen und externen Qualitätssicherung und sollte sich Ihrer Meinung nach zukünftig ändern?

Prof. Uhr:
Die Präanalytik spielt in der Liquordiagnostik eine sehr große Rolle. Diese Bedeutung ist jedoch in der RiLiBÄK bisher noch nicht entsprechend abgebildet. Entsprechende Vorgaben hierzu befinden sich in Vorbereitung. Beispielhaft sei die Auswahl des Röhrchenmaterials und das Verhältnis von Probenvolumen zu Röhrchenvolumen genannt. Ebenfalls spielt der Zeitfaktor von Probengewinnung bis zur tatsächlichen Messung für einige Liquorparameter eine nicht unerhebliche Rolle. Dies ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor bei der Probenverschickung.

Welche Vorteile sehen Sie in der Anwendung testunabhängiger Kontrollmaterialien, deren Einsatz  in der DIN 15189:2023 für akkreditierte, medizinische Laboratorien empfohlen wird?

Prof. Uhr:
Der Einsatz von Probenmaterial als Kontrollmaterial und auch als Ringsversuchsmaterial sollte entsprechend dem allgemeinen Teil der RiliBÄK erfolgen und dem zu untersuchenden Material so ähnlich wie möglich sein. Das bedeutet, dass ein Konzentrationsbereich gewählt wird, der für die klinische Entscheidung von Bedeutung ist, und dass auch in der richtigen Matrix zum Beispiel Liquor gemessen wird. Dies ist für Kontrollmaterial und teilweise anbieterabhängig für Ringsversuchsmaterial noch nicht ausreichend realisiert. Testunabhängiges Kontrollmaterial von Drittanbietern kann Vorteile bieten, wenn es den oben benannten Anforderungen entspricht.

Welche neuen Biomarker sind in der Liquordiagnostik Ihrer Meinung nach sinnvoll im Hinblick auf eine zuverlässige Diagnosestellung?

Prof. Uhr:
Dies sind sicher mehrere und es fällt schwer, Biomarker an dieser Stelle zu benennen. Wichtig ist dabei, zum richtigen Zeitpunkt die Qualitätssicherung als einen wichtigen Bestandteil der zukünftigen Diagnostik zu implementieren. Dazu gehört auch Vergleichbarkeit und Angleichung der Ergebniswertelage von unterschiedlichen Anbietern dieser Teste. Dies ist für eine nicht unerhebliche Zahl bereits routinemäßig angewandter Teste mit erheblicher diagnostischer und somit klinischer Relevanz immer noch ausstehend. Für eine klinische Durchsetzung neuer Verfahren sind auch Qualitätsmerkmale der Teste bedeutend.

Welche Anforderungen stellen Sie an die Hersteller diagnostischer Teste und Qualitätskontrollen?

Prof. Uhr:
Teste und Qualitätskontrollen müssen den Eigenschaften der Liquoranalytik gerecht werden. Dies bedeutet: Einzelmessungen zwingend in den Kontext eines Befundes zu bringen. Ein Beispiel dafür sind die für die diagnostische Aussage relevanten Immunglobulinquotienten. Einzelwerte im Liquor sind irrelevant, Referenzbereiche für Liquoreinzelwerte sind falsch. Auch die Messungen sollten so eingerichtet sein, dass dem Rechnung getragen wird und für eine möglichst exakte Quotientenbestimmung der jeweilige Analyt im Liquor und Serum mit dem identischen Test eines Herstellers im selben Konzentrationsbereich auf einer Standardkurve gemessen wird. Damit werden technische und biologische Faktoren im Quotienten ausgeglichen.
Gleiches gilt auch für die Qualitätskontrollen. Auch hier sollte kontrolliert werden, was klinisch relevant ist. Das bedeutet, dass Qualitätskontrollen idealerweise so konzipiert sind, dass sie der klinischen Realität entsprechen und für Liquor und Serum einen sinnvollen Befund darstellen. Dieser sollte dann bei der internen und externen Qualitätskontrolle relevant beurteilt werden. Leider muss festgestellt werden, dass, aus welchen Gründen auch immer, erheblicher Nachholbedarf besteht.

Die Nutzung von Point-of-Care-Geräten gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wie wird die bestmögliche Qualität der Laborergebnisse sichergestellt?

Prof. Uhr:
Unabhängig von der Nutzung von Point-of-Care-Geräten ist zumindest in der Liquoranalytik der wichtigste Punkt für eine gute Qualität eines Befundes das Fachwissen der die Liquoranalytik durchführenden MitarbeiterIn. Das Verstehen der Komplexität und der Zusammenhänge der einzelnen Liquorparameter macht erst eine technische und medizinische Plausibilitätskontrolle möglich. Selbstverständlich kann dies nur auf der Grundlage sehr zuverlässiger und für die jeweilige Untersuchung ausreichender Genauigkeit der Messungen erreicht werden.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung der neuen EU-Richtlinie 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) im Laboralltag?

Prof. Uhr:
Die neue In-vitro-Diagnostika-Verordnung trägt nicht unmittelbar zwingend zu einer Qualitätsverbesserung bei. Sie ist insbesondere auch für die Liquoranalytik insofern eine Herausforderung, dass hier nicht selten Teste verwendet werden, die im Labor entwickelt wurden, oder zumindest ohne entsprechend der IVDR ausreichende Validierung im Labor eingesetzt werden. Darüber hinaus ist auch für die Hersteller ein erheblicher organisatorischer Aufwand erforderlich, um neue Teste oder Kontrollmaterialien auf den Markt zu bringen. Dies hat zumindest dazu geführt, dass zur Zeit noch kein Liquorkontrollmaterial mit der Matrix Liquor zugelassen wurde, weil den Firmen der dazugehörige Aufwand zum Absatz zu hoch war.

Wie wird eine digitale Diagnostik und der mögliche Einsatz von KI den Laboralltag verändern und welche Möglichkeiten sehen Sie hier speziell für die Liquordiagnostik?

Prof. Uhr:
Die liquortypischen Auswertebedingungen, die nicht zuletzt bedingt sind durch Anatomie und Physiologie und nur in ihrer Komplexität zum sinnvollen Liquorbefund führen, werden zunächst nicht alleine durch eine KI im Laboralltag ersetzt werden können. Inwieweit eine ergänzende KI bei ergänzenden klinischen Angaben einen Zusatzgewinn bringt, wird sich zeigen müssen. Zur Zeit wäre es erfreulich, wenn zumindest ein integrierter Gesamtbefund entstünde.

Herr Prof. Uhr, herzlichen Dank für das interessante Gespräch zum Thema „Qualitätskontrolle in der Liquordiagnostik“.

Wir freuen uns auf Sie während des 10. Liquorsymposiums am 4. Mai 2024 in Dresden. Der Erfahrungsaustausch zwischen Ärzten, Laborpersonal und IVD-Herstellern bietet die Möglichkeit einer fortwährenden Verbesserung der Qualität laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen.

Das Interview führte Frau Dr. Dagmar Michel

Diplom Biologin Dr. Dagmar Michel

Dipl. Biologin Dr. Dagmar Michel

Das Interview „Qualitätskontrolle in der Liquordiagnostik – Standard oder ökonomiebasiert?“ führte Frau Dr. Dagmar Michel mit Herrn Prof. Dr. Dr. Uhr, dem Leiter des Klinischen Labors des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München Frau Dr. Dagmar Michel ist Diplom Biologin und seit über 13 Jahren bei der BIOMED Labordiagnostik GmbH als Medical Device Consultant tätig. Sie ist maßgeblich für die Produkte im Bereich der klinischen Chemie und hier insbesondere für die Qualitätskontrollen der Liquordiagnostik zuständig. Zuvor war Frau Dr. Michel unter anderem am LMU Klinikum am Campus Großhadern in der Tumorforschung tätig.

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